Samstag, 11. Oktober 2014

ArbeitsALLTAG?

Da es einigen schon so vorgekommen ist, als würde ich nur reisen anstatt zu arbeiten, versuche ich euch heute etwas über die Arbeit hier aufzuklären. Für mich ist es schon Alltag geworden, auch wenn jeder Tag anders abläuft und man nie genau weiß was auf einen zukommt. Hier versuche ich euch meine Highlights des Tages zu erzählen.

Wie ihr ja schon wisst, arbeite ich am Morgen im Bereich der Administration und Nachmittags im Boardinghome. Im September hatte sich das durch einen Mangel an Freiwilligen jedoch geändert.

Ich hatte die Möglichkeit, Katrin über drei Wochen lang in das "Brothers for Sisters Empowerment Centre" zu begleiten und die Arbeit dort kennen zu lernen. Jeden Morgen um 10:10 Uhr startete unser Van. Auf dem Weg sammelten wir noch die Hindi-Lehrerin, die Näh-Lehrerin sowie die Leiterin der Näherei ein und kamen meist 10:30 Uhr am Haus an. Den Schlüssel für das Haus beherbergt anscheinend eine Nachbarin und so war meist schon aufgeschlossen. Die Schüler standen überpünktlich oben vor den verschlossenen Klassenzimmern und begrüßten uns freundlich. Ihre erste Aufgabe bestand jeden Morgen darin, alle Zimmer zu fegen und danach zu wischen. In diesen Minuten hatten wir noch etwas Zeit zum entspannen und quatschen, bis dann 11 Uhr der Unterricht begann. Als erstes hatte ich die Advanced Class, die ich in Mathe und Englisch unterrichtete. In der Klasse saßen meist 3 Frauen, manchmal kamen aber auch fünf. Die Jüngste (Rani) war 20 Jahre und hatte die Schule bis zur 12 Klasse besucht, die Älteste war 48 Jahre und nur 3 Jahre in der Schule gewesen. Rani war ein echter Segen für mich in dieser Klasse, denn sie verstand meine Erklärungen und übersetze das meiste für die anderen. Manchmal wäre es sicher besser gewesen, wenn sie nicht mit dabei gewesen wäre. Dann hätten die anderen auch mal Englisch reden müssen und ihre Aufgaben ohne die Möglichkeit einfach Rani zu fragen zu können, machen müssen. Im Englischunterricht behandelten wir gegensätzliche Verben und das Simple Present. Mit der Zeit und immer wieder neuen Übungen verstanden die Frauen immer besser wann und wie man diese Zeitform nutzt. Im nachhinein bin ich mir aber nicht sicher, ob sie das jemals gebrauchen werden und ob ich nicht etwas sinnvolleres mit ihnen hätte machen können. In Mathe kam ich von Multiplikation großer Zahlen zu Flächeninhalten, merkte dann das ich vorher Brüche machn muss und dazu Division brauche, die sie noch nicht konnten. Es war nicht gerade einfach für mich. Wenn man den Wissensstand der Frauen nicht kennt, ist es ganz schwer einzuschätzen, was man ihnen als nächstes beibringen sollte. Aber sie waren alle super lieb zu mir und freuten sich immer auf meinen Unterricht.
Bei meiner doppelt so großen Medium English Class kam dann noch das Problem der interessanten Unterrichtsgestaltung dazu. Nur Vokabeln pauken wäre auch für mich langweilig, aber wie gestaltet man denn Vokabeln zum Körper und zur Kleidung interessant? Jeden Tag malte ich wieder einen wunderschönen Körper an die Tafel und wurde für meine Zeichenkünste belächelt. Ich druckte Arbeitsblätter mit Bildern und Rätseln aus. Nur das Lied "head, shoulders, knees and toes" ließ ich weg. Erstens, weil sie es schon kannten und zweitens, weil ich dachte, dass es 16-20 jährigen Frauen vielleicht etwas zu doof ist. Zum Abschluss der Stunde spielten wir in beiden Klassen immer eine Art Tabu, wobei sie die gelernten Wörter entweder malen oder pantomimisch darstellen mussten. Das hat allen viel Spaß gemacht und war ein schöner Abschluss der Stunde.
Jetzt, wo ich mich dann an das unterrichten gewöhnt hatte und mehr Ideen hatte, kamen wieder neue Freiwillige und ich konnte/musste meine Arbeit wieder abgeben. Konnte - weil ich meiner Meinung nach echt kein guter Lehrer bin. Musste - weil mir meine Schülerinnen schon sehr ans Herz gewachsen waren.

Nach dem Unterricht hatten wir immer noch ein bisschen Zeit bis der Van kam. So spielten wir Hangman (Galgenmännchen) oder Memorie, sahen den Frauen beim nähen zu oder beobachteten das Treiben in den Gassen.

Es gab auch einige Tage, an denen wir keinen Unterricht machen mussten, aus verschiedenen Gründen. Das Empowerment Centre wurde gerade gestrichen, so standen uns immer weniger Räume zur Verfügung, bis alles fertig war. Die Näherei hatte einen Großauftrag aus New York, bei dem schließlich alle mithelfen mussten, damit der Termin eingehalten werden konnte. Es fanden verschiedene Festivals statt und so fehlten manchmal halbe Klassen. (Muslimische Feiertage, denn das Center liegt in einem muslimischen Teil und die meisten Frauen im Projekt gehören auch dieser Religion an. Es ist auch sehr interessant zu sehen, wie die Frauen unter ihren schwarzen Umhängen aussehen, denn die ziehen sie im Projekt aus.) Dann sollten wir auch Profile zu den einzelnen Frauen erstellen und sie nach den verschiedensten Dingen fragen. Außerdem gibt es auch noch die Workshoptage, da mussten wir dann statt dem Unterricht Workshops vorbereiten.
Bei dem Auftrag habe ich auch mal einen Tag mit geholfen und kleine Stoffelefanten ausgestopft sowie Bommeln an ihre Füße genäht. Ich war ziemlich langsam im Gegensatz zu den Frauen, aber ich habe wieder etwas gelernt.
Für die Profile habe ich cirka 3 Tage gebraucht um 42 Frauen zu befragen. Dabei habe ich bemerkt, das viele nur bis zur 3. Klasse in der Schule waren. Das Gesamteinkommen der Familie beträgt meist um die 100€ und wenn der eigene Mann tot ist muss der Sohn für einen sorgen. Die meisten Frauen stehen sehr früh auf und beschäftigen sich mit dem Haushalt, bevor sie dann ins Projekt kommen und viele lieben Handarbeiten.
Die Workshops, die wir durchgeführt haben, waren zu den Themen: Bundesstaaten Indiens, Ernährung und Musik. Am Musikworkshop hatten sie natürlich den meisten Spaß und wir auch!
Es ist schon traurig, dass ich jetzt erstmal nicht mehr dort arbeite und die Frauen wenig sehe. Aber es werden vielleicht mal wieder Freiwillige fehlen oder ich gehe sie einfach mal besuchen!






Workshop zur gesunden Ernährung

Action im Brothers for Sisters Empowerment Centre

Von denen mussten 1050 Stück produziert werden und ich hab mit geholfen!


Jetzt arbeite ich wieder in der Administration. Darüber werde ich euch aber berichten, wenn ich irgendwelche Erfolge erzielt habe, bzw die Poster, an denen ich gerade arbeite, fertig sind.

Wochentags 14:30 Uhr fährt der Van zum Boardinghome los. Wenn wir ankommen, schlafen die meisten Mädchen, erschöpft vom frühen Aufstehen und dem Schultag. Sobald alle wach sind, geht es mit den Hausaufgaben los. Davon sind meistens reichlich vorhanden. Ich mache oft die Hausaufgaben mit unseren Jüngsten, die jetzt auch schon zu mir kommen und über den Stand ihrer Hausaufgaben berichten. Erst gestern musste ich gemein sein und einmal die kompletten Hausaufgaben wieder weg radieren. Die Aufgaben waren eindeutig von älteren Mädchen gemacht und die beiden Kleinen gaben es auch ehrlich zu. 20 Minuten später hatten sie alles geschafft. Bei den älteren Mädchen kontrolliere ich die Matheaufgaben oder lerne mit ihnen Fragen und Antworten für anstehende Tests auswendig. Ja das Schulsystem ist hier so (zumindest in deren Privatschule), das man vor dem Test schon die Fragen mit Antworten weiß und diese nur noch auswendig können muss. Ich bezweifle, dass man dabei so viel lernt, aber so ist das hier nunmal.
Danach geht es ans Lesen. Zur Zeit lese ich jeden Tag mit Anu, da ich bei ihr bemerkt hatte, das sie die Wörter rät und nicht richtig lesen kann. Ich sehe auch schon Fortschritte und sie freut sich jeden Tag mit mir zu lesen. Dieses Training mache ich auch mit anderen Mädchen. Einige lesen schon richtig gut. Bei denen stelle ich dann Fragen zum Text um zu prüfen, ob sie das Gelesene verstanden haben.
Jeden Freitag gehen wir in den "Tempel", der eher ein Park ist. Dort können die Mädchen dann rennen, spielen und Spaß haben. Ich habe mit ihnen schon das Seil springen trainiert und gemerkt, dass ich echt schlecht geworden bin. In dieser Stunde müssen wir auf jeden Fall aufpassen, dass keines der 22 Mädchen abhanden kommt. Das erste Mal habe ich hier eine große Verantwortung für andere Menschen.
Wenn ich einmal wenige Tage nicht im Boardinghome bin, merke ich schon, wie ich "meine Mädels" vermisse. Ich habe sie echt lieb gewonnen!

die Hälfte "meiner Mädels"

Wie ich finde ein schönes Bild

Zwischen tanzen und lernen

Die beiden jüngsten im Haus beim Tanzen - total süß!


17:30 fährt dann wieder ein Van in Richtung Guesthouse.
Damit ist mein Arbeitstag beendet und mehr fällt mir dazu auch erst einmal nicht ein.

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